Staunendes Fachpublikum erhält einen eindrucksvollen Einblick in die forensische Psychiatrie
Münster. Bei der 10. Mitgliedervisite der Gesundheitsregion Münster e.V. führte ein noch junges Mitglied des Vereins, die Alexianer-Krankenhaus Münster GmbH, die 76 Teilnehmer durch die neue Christophorus Klinik und gab einen spannenden Einblick in die hochinteressente und viel diskutierte Thematik der forensischen Psychiatrie.
Kurz hinter dem einzigen Zugang zur Klinik, der Sicherheits-Pforte und dem 5,50 m hohen Zaun empfingen Stephan Dransfeld, Geschäftsführer des Alexianer-Krankenhauses und Priv. Doz. Dr. med. Dieter Seifert, künftiger Chefarzt der Christophorus Klinik, die Gäste, um mit einer Führung durch die Klinik für straffällig gewordene intelligenzgeminderte Patienten in den Abend zu starten.
Die Besucher erhielten einen Einblick in die Spezialklinik, in der ab dem 3. Juni 2011 insgesamt 54 intelligenzgeminderte, straffällig gewordene Patienten mit einem speziellen Therapiekonzept, was auf die individuellen Besonderheiten abgestimmt ist, behandelt werden. Ziel ist die schrittweise Wiedereingliederung in die Gesellschaft, soweit dies unter gefährlichkeitsprognostischen Aspekten verantwortbar ist.
Die Patienten werden überwiegend aus dem LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn übernommen. Sie wurden schon im Vorhinein von Mitarbeitern der Klinik aufgesucht und auf den Umzug nach Münster vorbereitet, um dadurch eventuell entstehende Krisensituationen zu mindern, bzw. zu verhindern.
Zur Ausstattung der Klinik zählen neben den drei Stationen, in denen jeweils 18 Patienten in Einzelzimmern und Wohngruppen untergebracht werden, noch eine Werkstatt, eine Kapelle, ein Fußballplatz, eine Sporthalle sowie zwei Appartements, die von Angehörigen der Patienten für kurze Besuche genutzt werden können.
„Dem Patienten soll eine Tagesstruktur vermittelt werden. Es ist wichtig eine angenehme, therapeutische Atmosphäre zu bieten“, betonte Priv. Doz. Dr. Seifert, während er den Gästen die hell und freundlich eingerichteten Patientenzimmer und das weitläufige, grüne Gelände der Klinik zeigte.
Nachdem der Vereinsvorsitzende RA Dr. Schnieder die Mitglieder nach der Führung in der Kunsthalle des Alexianer Krankenhauses noch einmal zur gemeinsamen Abendveranstaltung begrüßte, erläuterte Priv. Doz. Dr. Seifert im anschließenden Impulsvortrag den aktuellen Stand und die Entwicklung in der Forensischen Psychiatrie.
Zunächst ging er auf die Standortthematik ein: Ende der 1990-er Jahre verfolgte die Landesregierung das Ziel der Regionalisierung des Maßregelvollzugs, nicht zuletzt auch wegen der dadurch erhofften Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten (z.B. die ambulante Nachsorge). Die Wahl der Klinikstandorte orientierte sich an der Einweisungsrate der jeweiligen Landgerichtsbezirke in NRW. Demnach hätte für die Region Münster eine Klinik mit 90 Betten erbaut werden sollen. Man habe sich aufgrund der langjährigen Erfahrung der Alexianer in der Behandlung intelligenzgeminderter Patienten auf eine hierfür spezialisierte forensische Klinik, im Übrigen die erste in Deutschland, verständigt.
In Deutschland wächst die Zahl forensisch untergebrachter Patienten zunehmend, was einerseits an der steigenden Einweisungszahl und andererseits an einer restriktiven Entlasspraxis liegt. Mittlerweile befinden sich ca. 8000 Patienten im Maßregelvollzug (gemäß § 63 StGB). Die Verweildauer eines forensischen Patienten liegt im Durchschnitt bei 6-7 Jahren. Dieser Entwicklung liegt nicht etwa eine steigende Kriminalitätsrate, sondern eine „veränderte politische Großwetterlage“ zugrunde.
In der Christophorus Klinik werden umfangreiche Behandlungsmaßnahmen durchgeführt, wie das Training sozialer Fertigkeiten, schulische und berufliche Unterstützung sowie verschiedene psychotherapeutische Verfahren.
Dr. Seifert gab außerdem einen kurzen Ausblick in die Entwicklung der Forensik. In Zukunft werde intensiver über Longstay-Einrichtungen zu diskutieren sein. Ebenso seien Spezialisierungen vonnöten (in der Christophorus Klinik wird es z. B. einen türkisch sprechenden Therapeuten geben). Auch werde man sich Gedanken über Unterbringungsformen älterer forensischer Patienten und jugendlicher Rechtsbrecher machen müssen (derzeit seien fast 20 % der forensischen Patienten jünger als 24 Jahre).
Zum Abschluss betonte er noch einmal, dass es in der Behandlung dieser Patienten immer um die Sicherheit gehe, die nicht allein durch einen hohen Zaun und eine Videoüberwachung etc., sondern vor allem auch durch eine engmaschige therapeutische Arbeit zu erreichen sei.
Nachdem der Vortrag, der noch viele interessante, aber auch kritische Fragen und Diskussionen aufwarf, verabschiedete Priv. Doz. Dr. Seifert die Gäste zum kulinarischen Get-Together und weiteren Gesprächen an das Buffet, das vom Alexianer-Partyservice perfekt angerichtet wurde:
„Nun freuen wir uns auf die Eröffnung der Klinik und sind gespannt auf die ersten Tage mit den Patienten.“